Ostergarten 2021
in der St. Anna-Kirche, Verl


Die Figur eines Auferstandenen
Ein langer Riss
Wie eine Linie
Von oben nach unten
Von unten nach oben.
Verbindet das Menschliche
mit dem Göttlichen,
das Göttliche mit
dem Menschlichen.
In dieser Linie ein Wundmal
Wundmal des Auferstandenen
Es sagt:
Willst du Gott begegnen
Dann suche ihn im Leid dieser Welt
Dann schau auf die Risse,
auf das was nicht heil ist
so erlebst du:
Auferstehung.

Entstehung und Idee
Die Holzbildhauerin Margit Unterthiner hat die neue Stele für die St Anna Kirche geschaffen. Anfang Februar hatte der Pfarrgemeinderat der St. Anna Gemeinde mit ihr Kontakt aufgenommen. Frau Unterthiner machte sich auf die Suche nach einem geeigneten Holz, wurde Ende Februar fündig, und skizzierte drei Entwürfe für diesen Stamm.
Anfang März wurden diese Skizzen in den Gemeindegremien von St Anna diskutiert. Sehr schnell entschieden sich Kirchenvorstand und Pfarrgemeinderat für einen dieser Entwürfe, und gleich am nächsten Tag begann die Künstlerin mit ihrer bildhauerischen Arbeit. Kurz vor Ostern brachte Margit Unterthiner ihre Stele persönlich nach Verl. Zuvor war sie noch nie in Ostwestfalen gewesen, hat aber familiäre Bindungen nach NRW, da sie mit einem Kölner verheiratet ist und ihre beiden Kinder z. Z. im Rheinland leben.
Frau Unterthiner lebt und arbeitet in Graswang in der Gemeinde Ettal, ein 230 Einwohner zählendes Dorf. Auch ihr Vater ist dort Holzbildhauer. Neben ihrer kunsthandwerklichen Tätigkeit war sie außerdem Kunsterzieherin im Benediktinergymnasium Ettal. Dort war sie als Bildhauerin an der Aufarbeitung des sexuellen Kindesmissbrauchs beteiligt, der sich über 4 Jahrzehnte an der dortigen Klosterschule ereignet hatte. Als „Denk Mal“ schuf sie eine große zweiflügelige Tür und verknüpfte in ihrer Arbeit die traumatischen Erfahrungen der missbrauchten Kinder mit Szenen aus dem Leben Jesu. Die Aufarbeitung in Ettal gilt als erste gelungene institutionelle Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch in Deutschland.
Interview mit der Bildhauerin
Wie überrascht warst du, als dich die Anfrage aus St. Anna erreichte?
Da ich keinen persönlichen Kontakt nach Verl hatte, war ich über die Anfrage sehr
überrascht.
Was war zuerst da: die Idee oder der Stamm? Hast du den Stamm für deine Idee
gesucht?
Zuerst war die Idee da, da es in der Anfrage schon um eine menschliche Gestalt, einen
„neuen Menschen“, um Auferstehung und Ostern ging.
Ja, ich habe mich wirklich auf die Suche nach einem interessanten Holz begeben, da sich
die Hölzer aus unserem Vorrat als unpassend erwiesen. Wichtig war mir, dass sich meine
Arbeit in den Kirchenraum von St. Anna einfügt, in seiner Form und Farbigkeit zum
Deckengemälde, zum Hochaltar, zum Fußboden und zur Treppe passt. Sie sollte Blickfang
sein, aber nicht optisch „herausfallen“.

Oder kam die Idee, als du den Stamm gefunden hattest?
Die Idee war schon da, aber die Details haben sich entwickelt: in der Astgabel habe ich
sofort eine menschliche Figur gesehen, die die Arme nach oben streckt. Und den schönen
glatten Stamm, der nach dem Entrinden zum Vorschein kam, wollte ich so unberührt wie
möglich lassen.

Hat dich die künstlerische Freiheit, die dir die Kirchengemeinde gegeben hat, sehr
überrascht?
Sie hat mich insofern überrascht, als dass es keinen persönlichen Kontakt gab, keinen
Werkstattbesuch, nur großes Vertrauen in meine Arbeit.
Wer sind im Allgemeinen deine Auftraggeber?
Meistens Privatleute, die einen besonderen Anlass haben, aber auch Kommunen und
religiöse Auftraggeber.

Was hast du empfunden als deine Arbeit in der St. Anna Kirche aufgestellt worden
ist?
Nach der langen Fahrt mit der großen, schweren Stele als „Beifahrer“, war ich sehr
angespannt. Aber das Entladen und Aufstellen war vom Pfarrgemeinderat sehr gut
vorbereitet und in ganz kurzer Zeit erledigt. Als ich die Stele dann enthüllt habe, ist
es in der Kirche plötzlich ganz still geworden, das war ein sehr berührender Moment.

Würdest du die Tür im Kloster Ettal als deine wichtigste Arbeit bezeichnen?
Für mich ist jede Arbeit wichtig, weil ich jedem einzelnen Auftraggeber gerecht werden
und eine gute Arbeit abliefern will. Aber die Auseinandersetzung mit dem Thema
Kindesmissbrauch war sehr intensiv und der Weg von den ersten Skizzen bis zur fertigen
Tür war lang und nicht immer einfach.
(Michael Humpert hat das Interview mit Margit Unterthiner digital geführt – Fotos: Margit Unterthiner, Michael Humpert)